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14. September 2017

Bedeutung des Standortauswahlgesetzes für Bohrungen mit Tiefen > 100 m

Ende 2022 soll das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet werden. Für die übrig bleibenden Abfalle ist geplant, bis zum Jahr 2031 einen Standort für ein unterirdisches Endlager gefunden zu haben. Der Ablauf der Suche nach einem geeigneten Standort wird durch das am 15. Mai 2017 in Kraft getretene Standortauswahlgesetz (StandAG) geregelt. Die Koordinierung der Standortsuche übernimmt das im Jahr 2014 eigens hierzu geschaffene Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE).

Um Gebiete vor Veränderungen zu schützen, die ihre Eignung als Endlagerstandort beeinträchtigen könnten, ist gemäß § 21 StandAG bis auf Weiteres bei allen Vorhaben, wie z. B. Bohrungen mit Eingriffstiefen von mehr als 100 m, zu prüfen, ob der Vorhabensstandort für ein Endlager geeignet ist. Nur wenn dies nicht der Fall ist oder eine der unter § 21 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 genannten besonderen Bedingungen erfüllt ist, darf das Vorhaben nach Herstellung des Einvernehmens zwischen der Zulassungsbehörde und dem BfE zugelassen werden.

Ablauf und Dauer der Prüfung
Die Prüfung, ob ein Vorhabensstandort für ein Endlager geeignet ist und z. B. eine mehr als 100 m tiefe Bohrung zugelassen werden kann, muss durch die jeweils zuständige Zulassungsbehörde erfolgen. Da die Zulassungsbehörden in der Regel nicht über die zur Prüfung erforderlichen Daten und Fachkenntnisse verfügen, werden sie voraussichtlich regelmäßig die Staatlichen Geologischen Dienste in die Prüfung einbeziehen. Detailfragen des Ablaufs der Prüfungen werden noch zwischen den potenziell beteiligten Behörden (Wasser- und Bergbehörden, Geologische Dienste und BfE) abgestimmt, sodass derzeit noch keine sichere Aussage möglich ist, wie schnell ein Antragsteller von der Zulassungsbehörde eine Rückmeldung erhält, ob eine Bohrung zugelassen wird oder abzulehnen ist. Für die Prüfdauer des BfE gibt es keine Vorgabe. Bei Bohrungen bis 200 m gilt das Einvernehmen des BfE als erteilt, wenn es innerhalb von acht Wochen keine Rückmeldung gegeben hat. Bezüglich der Prüfdauer bei den Zulassungsbehörden und den Geologischen Diensten liegen derzeit noch keine Erfahrungen vor.

Mögliche Standorte für die Endlagerung
In Deutschland kommen für die Endlagerung radioaktiver Abfälle die Wirtsgesteine Steinsalz, Tongestein und Kristallingestein in einem Tiefenbereich von 300 bis 1.500 m in Betracht. Der auszuwählende Standort, an dem die Endlagerung im sogenannten einschlusswirksamen Gebirgsbereich erfolgen soll, muss einerseits bestimmte Mindestanforderungen erfüllen, andererseits dürfen bestimmte Ausschlusskriterien nicht erfüllt sein.

Mindestanforderungen
• Vorhandensein der Wirtsgesteine Steinsalz, Tongestein oder Kristallingestein im Tiefenbereich 300 bis 1.500 m
• Die Gebirgsdurchlässigkeit des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs muss weniger als 1*10-10 m/s betragen.
• Der einschlusswirksame Gebirgsbereich muss mindestens 100 m mächtig sein. Beim Kristallin können geringere Mächtigkeiten ausreichend sein.
• Die Oberfläche des einschlusswirksamen Bereichs muss mindestens 300 m unter der  Geländeoberfläche liegen.
• Der einschlusswirksame Gebirgsbereich muss über eine Ausdehnung und Fläche verfügen, die eine Realisierung des Endlagers ermöglicht.
• Es dürfen keine Erkenntnisse oder Daten vorliegen, welche die Integrität des einschlusswirksamen Gesteinsbereichs über einen Zeitraum von einer Million Jahre zweifelhaft erscheinen lassen.

Ausschlusskriterien
• Eine großräumige geogene Hebung von im Mittel mehr als 1 mm pro Jahr über einen Zeitraum von  einer Million Jahre ist nicht zu erwarten.
• In den Gebirgsbereichen, die als Endlagerberiech in Betracht kommen, sind aktive Störungszonen  vorhanden, die das Endlagersystem und seine Barrieren beeinträchtigen könnten.
• Das Gebirge ist durch bergbauliche Tätigkeit so geschädigt, dass daraus negative Einflüsse auf den  Spannungszustand und die Permeabilität des Gebirges im Bereich eines vorgesehenen Endlagerbereichs zu besorgen sind.
• Die örtliche seismische Gefährdung ist größer als in Erdbebenzone 1 nach DIN EN 1998-1/NA 2011-01.
• Es liegt quartärer Vulkanismus vor oder es ist zukünftig vulkanische Aktivität zu erwarten.
• In den Gebirgsbereichen, die als einschlusswirksamer Gebirgsbereich oder Einlagerungsbereich in  Betracht kommen, sind junge Grundwässer nachgewiesen worden.

Welche Vorhaben sind am häufigsten bzw. stärksten betroffen?
Es ist davon auszugehen, dass Erdwärmesonden bundesweit derzeit der häufigste Grund für Bohrungen mit Bohrtiefen von mehr als 100 m sind. In Hessen wurden in den vergangenen Jahren rund 40 % aller Erdwärmesonden mit Bohrtiefen von mehr als 100 m beantragt bzw. genehmigt. Erdwärmesonden-Projekte sind regelmäßig auch zeitkritisch und sie Unterliegen weiteren Zwängen wie Flächenbedarf bzw. Grenzabständen. Ist eine Umplanung von Bohrtiefen auf ? 100 m aufgrund fehlender Fläche nicht möglich, drohen Projekte zu scheitern.

Literatur und weitere Informationen
[1] Gesetz zur Fortentwicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und andere Gesetze (Standortauswahlgesetz – StandAG); vom 5. Mai 2017; BGBl. 26/2017, S. 1074 – 1102 (Verkündung des Gesetzes am 15.05.2017).
[2] www.bfe.bund.de – Internetauftritt des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit mit umfangreichen Erläuterungen und aktuellen Informationen.

Kontakt
Dr. Sven Rumohr
Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
Rheingaustr. 186, 65203 Wiesbaden
sven.rumohr@hlnug.hessen.de
www.hlnug.de