Berufsförderungswerk der Bauindustrie NRW vermittelt Auszubildende aus Kamerun
Herr Goos, Sie planen, Arbeitnehmer aus Kamerun für eine gewerbliche Ausbildung in Deutschland zu gewinnen?
Ulrich Goos: Ja, unser Ansatz zielt darauf ab, Auszubildende aus Kamerun über die Perspektiven einer gewerblichen Ausbildung bei uns zu informieren und nach Deutschland zu holen. Deutsch ist in Kamerun die zweitbeliebteste Fremdsprache und Auszubildende, die nach Deutschland kommen, verfügen über eine deutsche Sprachprüfung nach B2-Niveau. Darüber hinaus wird das stark französisch geprägte kamerunische Abitur von der nordrhein-westfälischen Bezirksregierung als Fachhochschulreife anerkannt. Somit wäre es den Teilnehmern unseres Projekts sogar möglich, in Deutschland ein Studium aufzunehmen.
Wie erfolgt die Vermittlung der Kandidaten ganz konkret?
Ulrich Goos: Vor Ort in Kamerun werden 50 aussagekräftige Portfolios mit passenden Bewerbern erstellt. Auf Grundlage dieser Unterlagen können interessierte Bauunternehmen in Deutschland potenzielle Kandidaten auswählen. Sodann organisieren wir Skype-Videokonferenzen, um den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, die jungen Afrikaner noch besser kennenzulernen. Sobald Unternehmen sich für einen Kandidaten entschieden haben, werden die Ausbildungsverträge auf dem Postweg versandt und Visa beantragt. In Deutschland angekommen, besuchen sie dann in Kerpen während der überbetrieblichen Ausbildungsphase das Berufskolleg, wo sie auch wohnen und verpflegt werden. Diese Unterbringung im Rahmen der Ausbildung wird über die Soka-Refinanzierung abgedeckt und ist für die Firmen kostenlos. Derzeit sind wir sehr gespannt, ob Unternehmen dieses Angebot des Berufsförderungswerks der Bauindustrie NRW annehmen und welche Erfahrungen wir mit dem neuen Ansatz machen werden.
Mario Jahn: Der Rohrleitungsbauverband unterstützt diese Initiative des Ausbildungszentrums der Bauindustrie NRW in Kerpen. Der absolut überzeugende Ansatz dieses Pilot-Projektes besteht doch nicht zuletzt darin, dass Menschen aus Afrika zu uns kommen, um eine langfristige berufliche Perspektive in Deutschland zu finden. Gerade so kann Einwanderung gelingen. Diese Menschen planen nicht nur für fünf bis zehn Jahre. Und sie kommen nicht ziellos, sondern sie erhalten bereits vor dem Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme ein stringentes Briefing in die Branche. Wenn sie nach Deutschland kommen, dann mit dem klaren Wunsch, über lange Jahre in der Baubranche tätig zu sein. Das kann sich zu einer sehr leistungsfähigen Stellschraube entwickeln, um dem Fachkräftemangel in der Bauindustrie strategisch entgegenzutreten. Der rbv begrüßt diese besondere Möglichkeit, mit einem lokalen Partner direkt vor der eigenen Haustür einen neuen, zukunftsfähigen Ansatz zu testen.
Wie beurteilen Sie die Integration der neuen Mitarbeiter in den deutschen Arbeitsmarkt, sehen Sie hier keine Probleme?
Ulrich Goos: Die Zentren der nordrein-westfälischen Bauindustrie verfügen in personeller Hinsicht über ein sehr hohes Maß an sozialpädagogischer Betreuungskompetenz. Darüber hinaus stehen in den Internaten ausreichend Räumlichkeiten zur Verfügung, sodass wir den kamerunischen Auszubildenden ein passendes Rundumpaket bieten können, wozu kleinere Einrichtungen nicht im gleichen Maße in der Lage wären. Und bereits jetzt unterrichten wir 10 bis 15 verschiedene Nationalitäten in Kerpen, sodass wir davon ausgehen, dass sich die kamerunischen Auszubildenden sehr gut in die bereits heute schon sehr internationale Struktur einfügen und schnell Kontakte zu den anderen Auszubildenden knüpfen werden.
Eine Schule ist ein eher geschützter Bereich. Erwarten Sie Probleme bei den Ausbildern oder in den Betrieben, wenn verschiedene Kulturen aufeinandertreffen?
Mario Jahn: Tatsächlich besteht bei manchen Ausbildungsleitern oder in Unternehmen die Befürchtung, dass es schwierig sein könnte, afrikanische Auszubildende in das System der deutschen Berufsausbildung zu integrieren. Die Erfahrungen aus der Praxis zeichnen aber vielerorts ein komplett anderes Bild. Wir erhalten immer wieder von verschiedenster Seite ein sehr positives Feedback in Bezug auf das besonders hohe Engagement dieser jungen Menschen. Nach vielleicht manchmal anfänglicher Skepsis in den Unternehmen entsteht häufig eine besondere Begeisterung für die außerordentliche Leistungs- und Lernbereitschaft vieler Azubis aus Drittländern.
Wie informiert der rbv seine Mitgliedsunternehmen über diese neuen Möglichkeiten der Azubi-Akquise?
Mario Jahn: Wir sind darüber informiert, dass das Ausbildungszentrum der Bauindustrie NRW in Kerpen intensiv Initiativen vorantreibt, um junge Menschen aus Drittländern für eine Ausbildung in Deutschland zu interessieren. Nach unserer Einschätzung handelt es sich hier um eine sehr effektive Einzelmaßnahme, dem Fachkräftemangel in Deutschland zu begegnen. Und natürlich sehen wir es als eine zentrale Aufgabe des Rohrleitungsbauverbandes, unsere Mitgliedsunternehmen über tragbare Strategien der Fachkräfte- und Azubiakquise zu informieren. Angesichts des heutigen Arbeitsmarktes wird es immer entscheidender, proaktiv Maßnahmen zu entwickeln, um unserer Branche die Menge an Fachkräften zuzuführen, die sie benötigt. Deshalb arbeiten wir schon seit vielen Jahren nicht nur mit dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, sondern auch mit regionalen Partnern wie mit dem Ausbildungszentrum in Kerpen vertrauensvoll zusammen, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Uns ist allen bekannt, dass der Arbeitsmarkt zunehmend herausfordernder wird. Das ist der Grund, warum wir immer wieder Leuchtturmprojekte wie das Engagement in Kamerun durch das Ausbildungszentrum der Bauindustrie NRW in Kerpen oder das beherzte Engagement unseres AfP-Vorsitzenden Armin Jordan von der Herzog-Bau GmbH rund um die verstärkte Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen benötigen (siehe auch bbr 10/2019). Auf solche und andere Projekte mit besonderer Strahlkraft weist der Rohrleitungsbauverband sehr gerne hin.
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